Barockpferde

Hakan Alp: Barockpferde aus meiner Sicht

Barockpferde gehören nach üblicher Meinung verschiedenen Rassen an, die sich besonders für die Hohe Schule eignen. Diese Pferde besitzen einen besonderen Körperbau, der dem der Pferde im Zeitalter des Barock ähnelt. Bei einigen Rassen geht sogar das Zuchtbuch bis in die damaligen Zeiten zurück, so dass eine direkte Verwandtschaft bewiesen werden kann.
Barockpferde sind Pferde mit eher kurzem Rücken, das Stockmaß liegt meist unter 1,60 m. Ihr Körperbau ist verhältnismäßig kräftig, aber nicht klobig oder grob. Ein gutes Barockpferd sollte zusätzlich zur robusten Gesundheit über gleichmäßige, harmonische Körperformen verfügen sowie einen freundlichen Charakter, viel Charisma und sehr viel Mut und Freude bei der Arbeit mitbringen.
Betrachtet man das alte Zuchtideal der beiden für mich interessantesten Rassen, nämlich Lusitano und Pura Raza Espanola oder kurz PRE (Reines Spanisches Pferd; früher Andalusier), kann man erkennen, dass in der Vergangenheit Vorzüge wie Schnelligkeit, Rittigkeit, Mut und Aggressivität für den Stierkampf von großer Bedeutung waren.
Der Lusitano steht für ein ausgewogenes Temperament, weiters ist er sehr mutig und intelligent, sehr wendig, mit viel Feuer, willig, hart und genügsam. PREs sind häufig ruhig, stark und ausdauernd. Sie zeigen eine schnelle und enge Bindung zu Ihrem Reiter. Eines ihrer Geheimnisse ist die perfekte Kombination von feurigem (nicht zornigem!) Temperament und großer psychischer Ausgeglichenheit. Das überdurchschnittliche Erinnerungsvermögen ist ebenfalls eines der Rassenmerkmale des Reinen Spanischen Pferdes. Dies ermöglicht eine außerordentlich schnelle Ausbildung dieser Pferde, setzt aber auch besondere Sorgfalt voraus, da sich negative Erfahrungen ebenso schnell verankern wie positive.
Heutzutage müssen Barockpferde eine optimale Mischung zwischen Verlasspferd und Sportpferd sein, denn das Haupteinsatzgebiet ist die Freizeitreiterei, teilweise auch die Gebrauchsreiterei, mit Handarbeit bzw. Arbeit am langen Zügel und Bodenarbeit. In der Reiterei gibt es mittlerweile viele verschiedene Sparten, wie Horsemanship, Zirzensik und viele mehr, in welchen das Pferd einsatzfähig sein muss. Es ist schon fast zu komplex und daher schwer zu bestimmen, was „gutes oder schlechtes“ Pferd im einzelnen Fall bedeutet. Das Barockpferd muss heute besonders für den manchmal übertriebenen Ehrgeiz des Reiters, seine psychischen Probleme und die häufige Entschuldigung des Nichtreitens oder Nicht-Reiten-Könnens geradestehen.
In der Vergangenheit war es dagegen ein militärisch lebenswichtiges Einsatzgerät und musste im Kampf „dienen“. Später erst traten Wettkämpfe und Wettspiele zwischen den Reitern, mit allen oben erwähnten Problemen, an die Stelle des Reiterkampfes auf Leben und Tod. Das heißt, es muss bis heute und wahrscheinlich in alle Zukunft außergewöhnlich selbstsicher, stark und geduldig sein.
Ich meine, dass der suchende Pferdebesitzer zuerst überlegen sollte, was er mit seinem zukünftigen Pferd erreichen möchte, und danach die Entscheidung treffen sollte. Dann wird das Pferd auch gut für ihn sein! Aber auch dem Pferd sollte zustehen, gut und schlecht zu bestimmen beim Reiter! Harmonieren beide Seiten miteinander, gibt es kein wirkliches „Schlecht“ mehr, und daraus ergibt sich die Freude an der Arbeit mit einem Barockpferd. Fairness, Harmonie und Abwechslung haben oberste Priorität bei der Arbeit mit dem Partner Pferd. Neben der seelischen Ausgeglichenheit gilt es, mit dem Pferd die nötige körperliche Voraussetzung in Balance zu erarbeiten.
Bringt ein Pferd die körperliche Substanz mit, erlernt es komplexe Lektionen spielend. Darunter verstehe ich ein kompaktes, muskulöses Exterieur. Der Hals soll nicht sehr lang, aber kräftig und hoch aufgesetzt an den langen, etwas steilen Schultern sein. Damit hat man zwar wenig raumgreifende, aber umso akzentuiertere Gänge. Weiters bevorzuge ich Quadratpferde mit kurzem Rücken, einer muskulösen Kruppe und einer nicht allzu tiefen Brust. Die Extremitäten sollten leicht und elegant sein, mit eher kleinen Gelenken und einer kurzen steilen Fesselung, damit die Wendigkeit und Schnelligkeit erhalten bleibt. Da Lusitanos heute in Größe und Gangmanier verstärkt den Sportpferden angepasst werden, verlieren sie Vorzüge wie extreme Wendigkeit und ausgeprägte Balance. Lusitanos eignen sich aufgrund ihrer hohen Versammlungsfähigkeit sowie ihrer natürlichen Aufrichtung besonders für die klassische Dressur bis hin zu den Schulen über der Erde.
Abschließend möchte ich anmerken, dass es „das Barockpferd“ für mich nicht wirklich gibt, denn jede Rasse bringt Vor- und Nachteile mit sich. Meine große Leidenschaft sind allerdings die Lusitanos, da sie für meine Arbeit mit den Pferden die optimalen Voraussetzungen mitbringen.

Einige typische Barockpferde-Rassen: P. R. E. (Pura Raza Espanola, Andalusier); Lusitano; Berber und Araber-Berber; Sorraia; Friese; Murgese und ähnliche süditalienische Rassen; Lipizzaner und Kladruber; Knabstrupper und Frederiksborger; Camarguais; Connemara.
Alles was Reiter, Züchter und Käufer zum Thema Pferdebeurteilung wissen müssen, findet sich kompakt und übersichtlich dargestellt im Buch „Pferde richtig beurteilen. Praktisches Wissen für Reiter, Züchter, Käufer -“ von Martin Haller.
ISBN 978-3-7020-1310-3
Martin Haller (Hrsg.)
Pferde richtig beurteilen
Praktisches Wissen für Reiter, Züchter, Käufer –
260 Seiten, zahlreiche Abbildungen, Hardcover
€ 29,90

HIER BESTELLEN

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert