FORSTTECHNIK GESTERN UND HEUTE
Von der Steinaxt zum Harvesterkopf
Mit dem Augenblick, als der Mensch in Mitteleuropa sesshaft wurde, begann er, Holz zu fällen. Holz war für die ersten Siedler nicht nur der universelle Rohstoff für Werkzeuge und Gebäude, sondern auch der mit Abstand wichtigste Brennstoff. Zudem musste der Wald gerodet werden, um Platz für Ackerflächen zu schaffen. Damals war ganz Europa von Wald dominiert und nur wenige Flächen, wie Moore und Hochgebirge, wurden nicht vom üppigen Grün der Baumkronen beschattet.
Mit einfachsten Werkzeugen, wie der Steinaxt, wurden die Bäume gefällt. Der damit verbundene Arbeitsaufwand ist für moderne Menschen nur noch schwer vorstellbar. Über Jahrhunderte hinweg sollte die Axt das wichtigste Werkzeug bleiben, wenn es darum ging, Holz zu ernten. Zwar wurden die Schneiden durch immer härteres Metall verbessert, am Grundprinzip änderte sich aber wenig. Dieses einfache Werkzeug half dabei, den Wald in Europa schrumpfen zu lassen. Obwohl die Mittel einfach waren, wurde trotzdem enorm viel Holz eingeschlagen, denn der Bedarf war immens: Salinen, Köhlereien, der Bau und auch der Herd des einfachen Bauern brauchten Holz. Viel Holz.
Schließlich wurden auch die ersten Gebirgswälder eingeschlagen. Von nachhaltiger, schonender Bewirtschaftung wusste man damals noch wenig und die geringen technischen Möglichkeiten ließen auch keine schonende Nutzung zu. In den Alpen war die Drift die wichtigste Methode, um eingeschlagenes Holz zum Verbraucher zu bringen. Dabei wurden die Stämme in die Wildbäche geworfen, die den weiteren Transport übernahmen. Damit sich die Drift lohnte, musste aber viel Holz geerntet werden. Ganze Hänge wurden so entwaldet. Forststraßen, die von LKWs befahren werden können, waren damals noch nicht mal in der Fantasie der Forstleute vorstellbar. In manchen ergiebigen Waldgebieten wurden Waldeisenbahnen gebaut, doch auch ihr Betrieb lohnte sich nur, wenn große Holzmengen gefällt wurden.
Allerdings litt nicht nur der Wald unter dieser Bewirtschaftung. Auch der Mensch, der im Wald tätig war, wurde aufs Äußerste belastet. Noch heute wird mit dem Begriff des Holzknechts oder Holzfällers Kraft und Vitalität verbunden und tatsächlich war die Waldarbeit nur den kräftigsten Männern möglich. Diese Arbeit war nicht nur immens anstrengend, sie war auch enorm gefährlich. Zahlreiche Gefahren traten bei der Holzernte auf und diese forderten ihren Blutzoll. Tödliche Arbeitsunfälle waren an der Tagesordnung. Die Holzknechte kannten damals weder eine persönliche Schutzausrüstung noch die Grundlagen der Ersten Hilfe.
Den großen Modernisierungsschub erhielt die Waldarbeit nach Ende des Zweiten Weltkrieges: Zu diesem Zeitpunkt wurden die ersten Motorsägen bei der Holzernte verwendet. Aus heutiger Sicht wirken diese primitiv und mühsam in der Handhabung, doch für die damaligen Verhältnisse waren die motorbetriebenen Sägen ein echter Fortschritt, wobei er aber auch die Gesundheit der Waldarbeit belastete: Die Abgase waren stark gesundheitsgefährdend und würden nach heutigen Maßstäben keine Zulassung mehr erhalten.
Nach dem Einzug der Motorsägen entwickelte sich die Forsttechnik, die jahrhundertelang nur aus Axt sowie menschlicher und tierischer Muskelkraft bestand, rasch weiter. Forststraßen wurden gebaut, die Motorsägen wurden weiterentwickelt und für die Forstarbeiter entwarf man die ersten Behelfe, wie z. B. Schutzhelme. Seilwinden übernahmen die Rückung der Holzstämme und mithilfe von Seilkränen wurde es sogar möglich, das Holz der Gebirgswälder waldschonend zu rücken.
Neben den verbesserten Maschinen wurden ständig neue Konzepte zur Holzernte von Waldarbeitsschulen und Ausbildungsstätten entwickelt, um die Produktivität zu steigern und die Sicherheit zu erhöhen. Der Erfolg spiegelt sich in den folgenden Zahlen: Im Jahr 1977 lag der Holzeinschlag bei 11 Mio. Erntefestmetern (Efm), insgesamt 5.167 Unfälle wurden aufgezeichnet. Im Jahr 2013 wurden 17,4 Mrd. Efm eingeschlagen, aber nur noch 1.368 Unfälle verzeichnet. Die moderne Forsttechnik ermöglicht es also, den Wald produktiver und nachhaltiger zu nutzen und gleichzeitig die Sicherheit zu erhöhen.
Dieses Buch richtet sich an Landwirte und Kleinwaldbesitzer, die ihren eigenen Wald selbst bewirtschaften wollen. Es soll einen Überblick geben über Arbeitsverfahren und Forstmaschinen, die für kleine Waldbesitzer geeignet sind. Trotzdem werden hier auch Großmaschinen, wie Harvester und Seilkräne, vorgestellt, da diese Maschinen häufig von Lohnunternehmern verwendet werden.
Vor der eigentlichen Holzernte gilt es, unabhängig davon, ob es eine schwache Durchforstung oder ein Kahlschlag ist, den Einsatz sorgfältig zu planen.
Auf den Faktor Mensch wird bei der Holzernte gerne vergessen: Doch von einer erfolgreichen Holzernte kann nur dann gesprochen werden, wenn der Landwirt unverletzt und ohne gesundheitliche Folgeschäden die Arbeit durchführen konnte.
Aus dem Buch:
ISBN 978-3-7020-1592-3
Bernhard Henning
FORSTTECHNIK FÜR KLEINWALDBESITZER UND LANDWIRTE
Maschinen, Erschließung, Holzernte
2. Auflage, 208 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, 16,5 x 24 cm, Hardcover
€ 26,00
Dieses umfangreiche Praxisbuch stellt alle in der modernen Waldbewirtschaftung verwendeten Forstmaschinen und Geräte, von der Motorsäge über die Seilwinde bis zum Harvester, in Funktion und Anwendung vor. Tipps und Hinweise zu Erschließungsmaßnahmen, Bodenschonung oder Schadensvermeidung am Bestand sowie Kalkulationen über die Anschaffung von Forstmaschinen bzw. zum Einsatz von Lohnunternehmern vervollständigen dieses Buch.