HANFSORTEN

HERKUNFT UND SORTEN

Hanf ist eine sekundäre Kulturpflanze, die von Pflanzen abstammt, die durch den Menschen verbreitet wurden (Anthropochoren). Wie genetische Untersuchungen zeigen, hat Hanf seine größte genetische Vielfalt in Hindustan, einer Region im Norden Indiens, sowie in Afghanistan, in der chinesischen Uiguren-Region, Tadschikistan und dem westlichen Tienschan, einem Gebirgszug, der sich über Teile von Turkmenien, Usbekistan, Kirgisien und Kasachstan erstreckt. Es wird vermutet, dass sich die Kulturformen in verschiedenen Regionen unabhängig voneinander weiterentwickelt haben.

Ursprünglich aus Zentralasien stammend, kam Hanf nach Mesopotamien, über die arabische Halbinsel nach Afrika und über die Seidenstraße in den Mittelmeerraum. Kolumbus brachte ihn schließlich in die Neue Welt. Heute ist Hanf – sowohl als Wildpflanze als auch kultiviert – weltweit in fast allen gemäßigten bis tropischen Zonen zu finden.

Nach Europa kam Hanf nördlich und südlich von Himalaya und Hindukusch, wobei die jeweilige Route einen Unterschied in der Pflanze macht. Die nördlichen Hanftypen sind aufgrund der kürzeren Vegetationsperiode kleiner und bilden viele Samen. Die südlichen Typen wachsen wegen der ausgedehnten Langtage höher und blühen später. Sie bilden viel Biomasse, aber wenig Samen. Somit sind nördliche Hanftypen für Lagen mit kurzer Vegetationsperiode und für den Samenhanfanbau besser geeignet. Spätblühende, südliche Typen eignen sich besser für den Faserhanfanbau.

UR-SORTEN

Die Botanik ist sich wegen der Einteilung der Gattung Cannabis bis heute nicht einig. Manche meinen, es gäbe nur die Art C. sativa mit den drei Subspezies spontanea, sativa und indica. Andere unterteilen in die Subspezies culta, spontanea und indica. Wieder andere lassen nur zwei Varietäten von C. sativa gelten, nämlich spontanea und sativa, wobei letztere in Faser-, Samen- und Opiumhanf unterteilt wird. Am gängigsten ist jedoch die Unterteilung in die drei Arten Cannabis ruderalis, Cannabis indica und Cannabis sativa – abgesehen davon, dass es zwischen diesen drei Arten Kreuzungen gibt.
Bei allen Hanfarten haben die weiblichen Pflanzen stärkere Fasern, mehr psychoaktive Wirkstoffe und tragen nur sie Samen.

KULTURHANF – CANNABIS SATIVA

Cannabis sativa wird mitunter unterteilt in Kulturhanf (Cannabis sativa var. sativa) und Wildhanf (Cannabis sativa var. spontanea). Kulturhanf wird auch als Nutz- oder Faserhanf bezeichnet. Das zeigt schon, dass dieser Hanf zu Fasergewinnung gezüchtet wurde.
Kulturhanf ist locker verästelt, wenig verzweigt und hochwüchsig. Er erreicht eine Wuchshöhe von zwei bis vier Meter, im Extremfällen über sechs Meter („Marihuana-Baum“). Er zeichnet sich durch lange Internodien (zwischen zwei Blättern liegende Stängelabschnitte) aus. Die Blattfinger sind meist heller sowie deutlich länger und schmaler als beim indischen Hanf (C. indica). Seine hellgrauen Nüsse sind glatt, 3,5–5 mm lang und 2,5–4 mm breit (somit größer als die des C. indica). Sie fallen kaum ab.

C. sativa ist der Faser- und Ölhanf. Alle landwirtschaftlich genutzten Sorten sind seine Zuchtsorten. Nahrungsmittel, Textilien, Papier und Dämmstoffe werden aus Sativa-Sorten hergestellt, die einen niedrigen THC-Wert, aber lange gerade Stängel aufweisen. Gemein ist allen Rassen, dass sie dieselbe Anzahl an Chromosomen haben, nämlich 20. Sie können sich daher untereinander kreuzen.

Kulturhanf wird geographisch unterschieden in:

  • Nördlicher Hanf (Borealis Serebr.) hat einen kurzen Stängel (max. 1,5 Meter) und reift früh. Er wird nördlich des 60. Breitengrades in Russland angebaut und ist dort eine der wenigen Faser- und Ölpflanzen. Die bekannteste Sorte ist „Finola“, die aus Finnland stammt. Hierzulande wird sie zur Samen- und Ölerzeugung angebaut. Sie wurde als erste Hanfsorte in die Kategorie Ölpflanze 2003 in die EU-Sortenliste aufgenommen.
  • Mittelrussischer Hanf (Mediruthenica Serebr.) hat einen Stängel mit einer Länge von 1,25 bis zu drei Metern und eine mittlere Vegetationszeit bis zur Samenreife von 90 bis 110 Tagen. Er hat gute Samenerträge, da aufgrund der kurzen Vegetationszeit die Entwicklung in Richtung des generativen Charakters verschoben wurde. Dazu zählen die Sorten „Beniko“ aus Polen sowie „Juso“ aus Ungarn. Er wird zwischen dem 50. Und 60. nördlichen Breitengrad vor allem in Russland, der Ukraine, Polen und früher in Deutschland abgebaut.
  • Südlicher / mediterraner Hanf (Australis Serebr.) wird in Mittel-, Süd- und Südosteuropa angebaut. Damit er die technische Samenreife erreicht, muss er südlich des 50. Breitengrades angebaut werden, nördlicher wird er nur zur Fasernutzung angebaut. Der mediterrane Hanf hat eine lange Vegetationsperiode von 130 bis 150 Tagen und einen 2,5 bis 4,5 Meter langen Stängel. Er bringt den höchsten Stängelertrag von zehn bis zwölf Tonnen pro Hektar. Hierzu gehören z. B. die Sorten „Uniko B.“ und „Kompolti“ aus Ungarn sowie „Lovrin 110“ aus Rumänien.
  • Asiatischer Hanf (Asiatica Serebr.) hat in Europa keine wirtschaftliche Bedeutung, wird allerdings gerne als Kreuzungspartner für Züchtungen verwendet. Er hat eine Wuchshöhe von 2,5 bis drei Meter und eine Vegetationszeit von 150 bis 180 Tagen.

Bei den Kreuzungen sind vor allem die französischen Hanfsorten bedeutsam, die zum Übergangstyp gehören. Sie wurden durch Kreuzung aus südlichem und mittelrussischem Hanf erzeugt. Typsich für sie ist ihr Doppelnutzungscharakter. Sie haben im Vergleich zum südlichen Hanf einen niedrigeren Stängelertrag, aber höhere Samenerträge. Bekannte Sorten sind „Fedora 17“ und „Felina 32“.

WILDHANF – CANNABIS RUDERALIS

Im Jahr 1926 entdeckte der russische Botaniker Dimitri Janischewsky den Wildhanf und nannte ihn Cannabis ruderalis. Wissenschaftler stellten immer wieder die Frage: Ist der kleinwüchsige und THC-arme Ruderalis eine eigene Art? Nach gründlichen Untersuchungen von 157 Hanfpflanzen aus allen Teilen der Welt kam der amerikanische Biologe Karl W. Hillig 2005 zum Schluss, dass die Gattung Hanf nur in die beiden Arten C. sativa und C. indica zu unterteilen sei.

Diese Wildform des Hanfes wächst vor allem in Asien und dort vorzugsweise an ruderalen Standorten, also Kahlflächen. Er wächst aber auch in Siedlungsnähe sehr gut. Wildhanf wird 30 bis 60 Zentimeter hoch und hat meist sieben oder weniger kleine Blätter, im Zentrum lanzettliche Blättchen. Er ist aufrecht, wenig bis gar nicht verzweigt und hat magere Blütenstände am Ende der dünnen Stängel.

C. ruderalis ist frühreif. Seine kleinen, braunen Samen mit einer grünlichen Blütenhülle fallen leicht. Seine Nüsse sind kleiner als die von Kulturhanf. Er ist weder eine gute Faserpflanze, noch enthält er viel THC. Da der Wildhanf gut an das raue Klima und den kurzen Sommer in seiner zentralasiatischen Heimat angepasst ist, wird seine Blüte vom Alter und nicht von der Anzahl an Lichtstunden ausgelöst (sogenanntes Autoflowering). Nach zwei bis vier Wochen Wachstum geht die Pflanze unabhängig vom Lichtzyklus in die Blüte über. Durch diesen chronologischen Blührhythmus unterscheidet sich C. ruderalis von den photoperiodischen Arten C. sativa und C. indica. Diese Eigenschaft wird von Rauschhanf-Züchtern geschätzt und seit 20 Jahren für die Entwicklung von Hybridsorten wie „Lowrider“ (mit 21 Prozent CBD-Gehalt bei weniger als ein Prozent THC) genutzt.

INDISCHER HANF – CANNABIS INDICA

Im Jahr 1785 widersprach der französische Botaniker Jean-Baptiste de Lamarck dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné, dem Erfinder der biologischen Taxonomie. Während Linné C. sativa 1753 als monotypische Gattung mit nur einem Vertreter ansah, wies Lamarck nach, dass es sich bei C. indica um eine eigene Art handelt. Indica unterscheidet sich von Sativa einerseits durch die gedrungene Wuchsform, andererseits durch die berauschenden Inhaltsstoffe.

Indica bleibt eher niedrig und erreicht eine Höhe von 1,2 bis 1,5 Meter, selten wird er über zwei Meter hoch. Er verzweigt sich stark, wirkt buschig und konisch zulaufend. Indischer Hanf ist dadurch für die Fasergewinnung ungeeignet. Die Blätter des Indica sind meist dunkler und kräftiger, seine Finger weniger und die Blüte breiter. Er bringt mit Abstand am meisten Blüten hervor, seine Samen sind kleiner und dunkler als die des Sativa. Weiters zeichnet sich Indica durch eine starke Harzproduktion aus, das zudem einen höheren THC-Gehalt aufweist.

Die zahlreichen Unterarten des Indischen Hanfes stammen aus den Regionen südlich des Himalaya, also aus Indien, Nepal, Afghanistan und Pakistan. Optisch sind sie kaum zu unterscheiden. Die Sorten des C. indica haben einen hohen Anteil psychoaktiver Inhaltstoffe – sie werden vor allem in der Medizin und zum Drogenkonsum verwendet. Alle Indica-Sorten verbindet ihr Rausch, der schläfriger macht und beruhigender wirkt als der des eher anregenden, psychodelisch-wirkenden Sativa, dessen Blüten auch THC enthalten können.

Innerhalb dieser Arten haben seit der Mitte des 20. Jahrhunderts Cannabiszüchter eine Vielzahl von Subspezies und Sorten gezüchtet, bei denen vorwiegend ihre Verwendung als Rauschmittel das vorrangige Ziel war.

WINTERHANF

Der Anbau von Winterhanf hat den Vorteil, dass die Pflanze als Zwischenfrucht keine weitere Fläche benötigt und trotzdem eine Ernte stattfindet. Winterhanf dient der Fasernutzung, denn die Vegetationszeit nach der Aussaat reicht für die Ausbildung langer Triebe, die später für Textilfasern benötigt werden aus, nicht jedoch für die Samenbildung. So gibt es durch den Verkauf der Fasern neben den ökologischen Vorteilen auch eine ökonomische Komponente. Außerdem bieten Winterhanfbestände gute Einstandsmöglichkeiten für Wildtiere und sind auch eine gute Futterquelle für Vögel. Außerdem bindet Faserhanf über den Winter Stickstoff und bewahrt ihn vor der Auswaschung in das Grund- und Oberflächengewässer. Die Bodenbedeckung schützt vor Erosionen, da das zerkleinerte Stroh auf dem Feld verbleibt. Da dieses nicht mit der nachfolgenden Sommerung verwandt ist, können somit auch keine Krankheiten übertragen werden.
Geerntet wird, sobald die Bodenbefahrbarkeit gegeben ist, am besten bei unter 20 Prozent Restfeuchte der Bestände ab Ende Februar bzw. Anfang März. Ähnlich wie bei der Heuernte erfolgt die Ernte durch Mahd bei 15 bis 20 Prozent Stoppelhöhe und wird danach aus dem Schwad heraus sofort in Ballen gepresst und abtransportiert.
Bei günstigen Witterungsbedingungen kann man mit zwei bis zu vier Tonnen Trockenmasse pro Hektar und in trockenen Jahren je nach Standort zwischen 0,6 und 2,5 Tonnen rechnen. Bei Sommerhanf kann man bei doppelter Aussaatmenge mit acht bis zwölf Tonnen pro Hektar rechnen.
Es gibt keine speziellen Züchtungen für den Zwischenfruchtanbau, also etwa als Winterhanf. Da Hanf jedoch eine Kurztagespflanze ist, also beim Übergang von längeren zu kürzeren Tagen mit einsetzender Blüte reagiert und das Längenwachstum einstellt, werden spätreifende Sorten empfohlen.

RAUSCHHANF

Es existiert eine lange Liste an Fachliteratur zu Hanfsorten, bei denen die berauschende Wirkung im Mittelpunkt steht. Beim Rauschhanf handelt es sich, so wie bei der landwirtschaftlichen Nutzpflanze Hanf, um dieselbe Pflanze. Daher sollte ein Hanfbauer auch Grundlegendes über die Rauschpflanze Hanf wissen.

Die aktuell über 2.500 Cannabis-Abwandlungen wurden durchwegs aus traditionellen Sorten gezüchtet und sind entweder reine Sativa-, Indica- oder Hybridzüchtungen. Sie basieren auf in der Growerszene geschätzten Sorten – den „strains“ – aus Afghanistan (etwa „Afghani“ oder „Hindu Kush“), Südafrika (z. B. „Durban Poison“), Hawaii (wie „MauiWowie“), Kolumbien (etwa das legendäre „Columbian Gold“), Jamaika, Mexiko oder dem Grenzgebiet von Thailand, Laos und Burma (dem sogenannten „Goldenen Dreieck“).

Eine bekannte Rauschhanf-Sorte ist „Original Haze“. Sie wurde in den 1960er Jahren im kalifornischen Santa Cruz aus verschiedenen asiatischen und lateinamerikanischen Sativa-Sorten gekreuzt und reifte im warmen, trockenen Herbst sehr gut. Dieser Hybrid gilt unter Kiffern als eine der besten Cannabissorten mit elektrisierender, stimmungsaufhellender Wirkung. „Original Haze“, wie auch die davon abgeleiteten Sorten, ist ausgesprochen anspruchsvoll, langsam reifend und wenig ertragreich.
Ebenfalls in Kalifornien wurde die Sorte „Skunk #1“ gezüchtet. Es handelt sich hier um einen starken Sativa-Indica-Hybriden mit intensivem Rauch. Durch ihren unkomplizierten Anbau und ihre Ertragssicherheit wird diese Sorte vielfach von Kiffern angebaut.

Wie viele Rauschhanf-Sorten stammt auch „Northern Lights“ aus den Vereinigten Staaten der 1970er Jahre. Ihr Ursprung dürfte um Seattle liegen, sie wurde aber vor allem in Holland weiterentwickelt. Als Indica-Sorte ist sie schnellwüchsig, harzreich und robust – und somit unter Privatanwendern sehr beliebt.

Daneben existiert eine unüberschaubare Vielzahl weiterer Züchtungen, denen allen eines gemeinsam ist: Sie werden von Kiffern als Rauschmittel gerne angebaut, sind aber für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet.

Aus dem Buch:

ISBN 978-3-7020-2101-6
Angelika und Robert Riemelmoser
HANF VOM HOF
Anbau, Ernte und Vermarktung von Nutzhanf
144 Seiten, farbig bebildert, 16,5 x 22 cm, Hardcover
€ 26,00

Nutzhanfsorten haben keine berauschende Wirkung. Sie finden Anwendung als Öl- und Eiweißlieferanten und sind Grundstoffe für die Textil- und Baustoffindustrie. Am landwirtschaftlichen Betrieb bereichert Hanf die Fruchtfolge und wirkt wie ein natürlicher Bodenverbesserer. Dieses Buch informiert über den aktuellen Wissensstand im landwirtschaftlichen Hanfanbau und dessen Nutzungs- und Vermarktungschancen. Anleitungen für Papierherstellung und Hanfrezepte machen Lust auf Hanf vom Hof.