KORBFLECHTEN
DIE GESCHICHTE DES KORBFLECHTENS
Die Geschichte des Korbflechtens hängt sehr eng mit der Geschichte der Menschheit zusammen. Während manche Lebewesen von der Natur mit funktionalen Körperteilen für den Transport ausgestattet wurden, wie z. B. das Känguru mit einem Beutel, mussten andere Lebewesen, wie der Mensch, sich erst spezifische Fähigkeiten aneignen. Dies war wichtig, da Menschen schon sehr früh lange Wanderungen machen mussten und dadurch Tragekörbe benötigten, um Ernte- und Jagderträge mittragen zu können.
Geflochten wurde und wird auf der ganzen Welt – mit den jeweils einheimischen Materialen, seien es Weide, Hölzer oder Gräser – in unterschiedlicher Weise, aber immer mit dem gleichen Ziel, nämlich ein Behältnis für den täglichen Gebrauch zu schaffen. Es wurden Möbelstücke (geflochtene Sitzfläche bei Stühlen), Teile von Fortbewegungsmitteln (Kinderwagen), Transportgegenstände (Körbe) oder Kleidung (Strohhüte) produziert. Heutzutage werden zwar zum Teil viele andere Materialen, statt derer man früher Weide verwendet hat, benutzt, aber die Techniken des Flechtens sind noch die gleichen, z. B. Terrassenmöbel aus Plastikschienen. Ein Gegenstand aus Weide, der seit Jahrhunderten aus dem Alltagsleben nicht wegzudenken ist, ist der Einkaufskorb.
WEIDENKUNDE
Sehr oft sind Weiden in der Nähe von Flüssen oder Bächen bzw. auf Brachland zu finden. Hierbei ist immer der Eigentümer des Grundstückes um Erlaubnis zu fragen bzw. sind die Vorgaben des Landes zu beachten, ob und wann Weiden geschnitten werden dürfen. Die Weide wird ab dem ersten Frost bis Anfang März geerntet, bevor die Pflanze wieder im Saft steht. Zum Flechten werden dünne, unverzweigte Ruten benötigt. Die bekommt man am besten von einjährigen Trieben, deshalb sollte eine Weide auch jedes Jahr geschnitten werden.
Nach dem Ernten werden die Weidenzweige der Größe nach sortiert, da unterschiedliche Längen für die unterschiedlichen Projekte benötigt werden. Hierbei werden die Weiden am besten in 20-cm-Schritten gebündelt. Die Längeneinteilung sieht so aus, dass alle Weiden, die kürzer als 1 m sind, alle zwischen 1 und 1,20 m, alle zwischen 1,20 und 1,40 m usw. sortiert, zusammengelegt und mit einer Schnur zusammengebunden werden. Das erleichtert die Vorbereitung zum Flechten sehr, da für einen Korb unterschiedlich lange Weiden benötigt werden.
Nicht nur die schlanken Weiden werden aufbewahrt, sondern es kann fast alles verwendet werden. Man kann auch die dickeren, verzweigten Äste als Stäbe für Gartenstecker nehmen, indem man alle Seitenäste abschneidet. Außerdem werden dickere Weiden für Henkel oder auch für Bodenlagen benötigt. Mit den Weidenspitzen kann z. B. ein ganz kleiner Korb geflochten werden. Stark verzweigte Äste eignen sich beispielsweise als Rankhilfe im Garten.
Viele Korbmacher haben einen eigenen Weidengarten. Dabei werden im Frühjahr Stecklinge – 30 cm lange, daumendicke, nicht trockene Weidenstücke – in den Boden gesetzt. Wichtig ist, dass die Weiden in Wuchsrichtung eingesetzt und im ersten Jahr, wenn es einen sehr trockenen Sommer gibt, zeitweise gegossen werden. Es ist nicht nötig, die Weide in Wassernähe zu pflanzen, sondern es ist auch im Garten oder auf der Wiese möglich. In den ersten zwei Jahren ist mit einem geringeren Ertrag zu rechnen, aber danach wird man jedes Jahr reich belohnt. Weiden, die nah am Wasser wachsen, werden dicker, da sie mehr Flüssigkeit aus dem Boden bekommen.
In Österreich wird hauptsächlich die Korbweide (Salix viminalis L.) verwendet, aber es gibt noch viele andere Weidenarten, die in der freien Natur vorkommen, oder auch spezielle Sorten, die von Korbmachern selbst gezüchtet werden. Das sind z. B.:
• Purpurweide – rote Rinde, sehr dünne, biegsame Triebe
• Carl Jensen – gelbgrüne Rinde, die beim Trocknen gelb oder graugrün wird, lange, gerade Triebe
• Roter Belgier – braunrote Rinde
• Leicestershire Dix – grünliche Rinde, die beim Trocknen graugrün wird, sehr gute Flechtweide
Leichter und weniger Arbeit ist es, Weide beim Flechtwarenhändler zu besorgen. Hierfür gibt es einige Händler in Deutschland und anderen europäischen Ländern, die man im Internet findet. Die Ware wird bündelweise bereits in der gewünschten Länge und in unterschiedlichen Sorten trocken geliefert.
Im Handel ist verschiedenes Material in unterschiedlichster Verarbeitung zu finden. Es gibt:
• Naturweide oder ungeschälte Weide: Diese gibt es in verschiedenen Sorten. Die einzelnen Arten unterscheiden sich hinsichtlich der Färbung der Rinde oder in ihrer Biegsamkeit. Die Bezeichnungen der gängigen Sorten sind „Französische Weide“ und „Spanische Weide“. Beim ersten Einkauf lässt man sich am besten von einem Weidenhändler beraten.
• Geschälte rote Weide: Hier wird die frisch geschnittene Weide stundenlang gekocht und danach geschält. Durch das Kochen setzt sich die Gerbsäure der Rinde frei und die Weide bekommt eine rotbraune Färbung.
• Geschälte weiße Weide: Hierfür wird die frische Weide geschält, indem sie durch ein spezielles Werkzeug, die Schälklammer, gezogen wird. Dafür muss die Weide sehr spät im Frühjahr geschnitten werden, wenn sie schon wieder etwas Saft bekommt.
• Geschälte schwarze Weide: Die Weide wird, wie bei der roten Weide, gekocht und geschält. Danach wird sie ein zweites Mal mit Zusatz von Eisen (Rost) gekocht, wodurch es zu einer Schwarzfärbung kommt.
Es gibt zwei Varianten, die Weide zu verwenden:
• Das Flechten mit frisch geschnittener Weide ist möglich, aber es muss beachtet werden, dass die Weide noch sehr viel Wasser gespeichert hat und sie beim Trocknen stark schrumpft. Das bedeutet, dass der Korb wacklig wird, auch wenn er sehr dicht geflochten wurde. Früher haben Korbflechter sehr oft mit halbtrockener Weide gearbeitet. Hier lässt man die Weide so weit trocknen bzw. schrumpfen, dass sie noch feucht genug ist, um beim Flechten nicht zu brechen.
• Das Flechten mit trockener Weide. Das bedeutet, dass man die Weide über den Sommer komplett austrocknen lässt und sie nach Bedarf ins Wasser legt, um sie wieder biegsam zu machen.
Am Anfang sollte auf jeden Fall mit ungeschälter Weide gearbeitet werden, da diese nicht so schnell austrocknet. Geschälte Weide muss beim Verflechten immer wieder mit Wasser besprüht werden, damit sie weiterhin biegsam bleibt. Körbe, die mit geschälter Weide geflochten wurden, sind kompakter als die aus ungeschälter. Das liegt daran, dass die Weide zwischen dem Holz und der Rinde noch Wasser speichert und deshalb noch ein bisschen schrumpft.
Die Weide besitzt außerdem einen natürlichen Bug. Dieser kann auch beim Flechten sehr gut genutzt werden, z. B. bei starken Biegungen. Hier wird „über den Bauch“ und nicht „über den Rücken“ gearbeitet. Erstens ist es einfacher über den natürlichen Bug zu biegen und zweitens bricht sie weniger.
HINWEIS
Die Flechtkunst wurde 2006 sogar als Immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt. In Österreich wurde das „Korbmachen – Flechtkunst mit Weiden, Stroh und gespaltenem Holz – Traditionelles Handwerk in der Steiermark“ 2013 von der UNESCO in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Aus dem Buch:
ISBN 978-3-7020-1756-9
Claudia Stolzer
KORBFLECHTEN LEICHT GEMACHT
Mit Gartendeko & Co.
Praxisbuch
144 Seiten, durchgehend farbig bebildert, 16,5 x 22 cm, Hardcover
€ 22,00
Weiden lassen sich vielseitig verarbeiten: zu runden, eckigen oder ovalen Körben, zu geflochtener Gartendeko oder auch zu lebenden Zäunen. Schritt für Schritt erfährt man in diesem Buch, wie ein Korb entsteht – vom Boden über den Wandaufbau bis zu Henkeln, Griffen und Deckeln. Auch Rahmenkörbe gelingen mit den Anleitungen des Buches. Alle notwendigen Werkzeuge und die ideale Werkstattausstattung werden beschrieben, Tipps zur Weidenbeschaffung und Projektplanung geboten. Ein kleiner Einblick in die Geschichte des Korbflechtens rundet das Buch ab.