WUCHSGESETZE VERSTEHEN – OBSTBÄUME RICHTIG SCHNEIDEN

Ein gesunder Obstbaum und eine reiche Ernte beginnen mit dem richtigen Schnitt! Die Wuchsgesetze sind die Grundlage für einen gezielten und nachhaltigen Baumschnitt. Sie bestimmen, wie ein Baum wächst, verzweigt und Früchte trägt. Ob Apfelbaum, Kirschbaum oder Pfirsichbaum – wer die natürlichen Wachstumsprinzipien kennt, kann durch den richtigen Schnitt die Baumgesundheit fördern, Erträge steigern und eine harmonische Krone formen.

SPITZENFÖRDERUNG (Apikaldominanz)
Ein Baum wächst immer an den am höchsten gelegenen Stellen am stärksten. Ursache hierfür sind Pflanzenhormone (Auxine), die unter Lichteinwirkung in den jungen wachsenden Triebspitzen gebildet werden, am meisten in senkrecht stehenden Trieben. Sie bewirken eine erhöhte Anziehung von Nährstoffen und Assimilaten und dadurch verstärktes Wachstum in diesem Bereich. Hormonkonzentration und Triebwachstum sind daher im oberen und äußeren Kronenbereich am stärksten und nehmen zur Basis und zu den Wurzeln hin ab, weshalb nicht geschnittene Bäume langfristig unten und innen verkahlen.
Auch beim Einzeltrieb kommt es zum stärksten Austrieb an der Spitze, wobei die höchst gelegene(n) Knospe(n) am meisten und die nachfolgenden etwas weniger wachsen, während tiefer stehende weniger stark oder gar nicht austreiben. Gleich hoch stehende Knospen oder Triebe an einem Baum wachsen gleich stark (= Saftwaage).

OBERSEITENFÖRDERUNG
Bei flach stehenden Ästen treiben aufgrund der geringen apikalen Dominanz Knospen auch an der Basis stärker aus. Die Triebkraft verteilt sich auf viele Knospen, es entstehen somit mehrere, aber schwächere Austriebe vor allem auf der Oberseite des Triebes.
Flach stehende Triebe bilden Blütenknospen (= Garnierung) und ermöglichen es dem Baum, rasch in den Ertrag zu kommen, was ihn zugleich im Wuchs bremst. Dies lässt sich durch Schnitt sowie Formieren (z. B. Flachstellen) beeinflussen.

SCHEITELPUNKTFÖRDERUNG
Kommt ein Trieb beispielsweise durch zu starkes Formieren unter die Horizontale, so werden die am höchsten Punkt (= Scheitelpunkt) gelegenen Knospen am stärksten gefördert und produzieren steil aufrecht stehende Triebe, während der nach unten gerichtete Teil (inkl. Triebspitze) an Wuchskraft verliert und nur schwach austreibt.
Dasselbe passiert, wenn sich ein Trieb durch das Fruchtgewicht nach unten senkt. Es bilden sich im Bereich des Scheitelpunktes meist stärkere Austriebe, welche das nach unten gebogene ältere Fruchtholz ersetzen können. Der abgetragene Astbereich wird entfernt und auf einen neuen Trieb zurückgesetzt, welcher wiederum im Folgejahr durch Fruchtbehang nach unten wandert und am neuen Scheitelpunkt „Ersatztriebe“ bildet. Durch diese Fruchtholzrotation wird immer wieder neu für vitales, junges Fruchtholz gesorgt.

STÄRKE DES RÜCKSCHNITTS (Anschnittlänge)
Wie schon bei der Spitzenförderung weiter oben erwähnt, kommt es bei einem nicht geschnittenen Trieb zum stärksten Austrieb an der Spitze. Wird nun die Triebspitze z. B. durch Anschneiden entfernt, treibt die jetzt am höchsten gelegene Knospe am stärksten aus. Außerdem entstehen Austriebe tiefer liegender Knospen, die ansonsten aufgrund der Hemmung nur schwach oder gar nicht wachsen würden. Die Stärke des Rückschnittes hat dabei einen wichtigen Einfluss.

Bei starkem Rückschnitt verteilt sich die Wuchskraft auf wenige verbliebene Knospen, aus denen sich kräftige Langtriebe entwickeln. Dies findet Anwendung beim Pflanz- und Erziehungsschnitt, vor allem bei Kronenbäumen. Auch bei Obstarten, die am einjährigen Holz sehr stark fruchten (z. B. Pfirsich, Weinrebe), wird so geschnitten, um den Fruchtansatz zu reduzieren bzw. um die Bildung starker Fruchttriebe fürs nächste Jahr anzuregen.

Bei schwachem Rückschnitt verbleibt ein Großteil der Knospen am Trieb und die Wuchsreaktion jeder einzelnen Knospe fällt somit eher schwach aus.

Bei Schnitt auf Stummel kommt es meist zum Austrieb von basisnahen schlafenden Knospen. Dies wird gezielt angewendet, um Neuaustriebe zu erzielen, die je nach Obstart in der Folge zum Astaufbau oder sofort als Fruchtholz genutzt werden können.

Aus dem Buch:

ISBN 978-3-7020-1432-2
Andreas Spornberger (Hrsg.)
DER PROFESSIONELLE OBSTBAUMSCHNITT
Inkl. Vermehrung & Veredelung
Praxisbuch
4. Auflage, 160 Seiten, über 400 Farbfotos und Grafiken, 16,5 x 22 cm, Hardcover
€ 24,00

Mit zahlreichen Vorher/Nachher-Fotos weist dieses Praxisbuch Profis, aber auch Hobby-Gärtnern den Weg zum richtigen Obstbaumschnitt und dem damit verbundenen guten Ertrag. Ob Kern-, Stein- oder Beerenobst, ob Spindelbusch, Viertel- oder Halbstamm – alle im Lebenslauf eines Obstbaumes nötigen Schnittmaßnahmen werden in vielen Bildern erläutert, die die Entwicklung jedes Baumes über mehrere Jahre dokumentieren. Ein Extrateil widmet sich der Veredelung und dem Umpfropfen von Obst!